Aus dem Atelier.

Beim Stöbern in alten Unterlagen bin ich wieder einmal auf einen dieser Briefe gestossen, die ich ab und zu bekomme. Von Menschen, die bei mir ein Bild gekauft haben und mit ihm eine fast innige Beziehung eingehen. So etwas freut mich als Künstler natürlich besonders, und auch diesen Brief möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

„Sonnengedicht“, ein schöner Titel, mit dem ich allerdings mehr Gelb verbinden würde. Das intensive Rot wirkt kraftvoll, sinnlich und vitalisierend und könnte in Verbindung mit dem Schwarz durchaus eine fast bedrohliche Dimension an­nehmen.

Das helle Gelb in der Bildmitte allerdings leuchtet dagegen an und bringt Leichtigkeit und Fröhlichkeit hinein. Die Linien, an denen sich die Bewegung bricht, sind wie eine Ordnung, die sich dem Chaos ergibt oder auch entgegen­stellt. Je nach Lichteinfall glänzen die Pinsel­striche auf, gewichten eine Unruhe. Ich wechsle dann manchmal die Seite, um dieser kochenden Leidenschaft zu entgehen.

Für mich wallt und pulsiert in diesem Gemälde die Heilige Geist­kraft. Sie ist nicht zu bändigen, als liebende, gute, leidenschaftliche Kraft Gottes. Sie entzieht sich menschlicher Katego­risierung und ist (schon) immer da, auch wenn wir sie nicht wahrnehmen können. Obwohl die Farben laut und intensiv sind, kommen sie ebenso sanft und zart herüber. Auch die Frage nach Ordnung und Chaos stellt sich nicht für sie. Sie überwindet Gegensätze.

Kennst Du den Ronjaräubertochter-Frühlings­schrei, genauso ist dieses Bild! Manch­­­mal habe ich meine reine Freude an diesem wolkigen Toben, manchmal, an meinen schwachen Tagen, ahne ich, dass sie da sein muss, auch wenn ich sie gerade nicht spüren kann. Du siehst, lieber Künstler, dass ich beschenkt bin und dass du ein Brückenbauer bist…

Renate B., 2016

 

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